Aus dem Roman “Liebe in Pompeji” (Unter dem Vesuv)

Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie war. Dann erinnerte sie sich. Pompeji. Unter dem Vesuv, der friedlich schlief, obwohl niemand wusste, was sich in seinem Schoß verbarg. Sie erinnerte sich an die Aussage ihrer Mutter, dass es eine gute Idee wäre, den Müll in ihm zu verbrennen. Anea zog sich schnell an und begab sich hinaus in den warmen, duftenden Morgen. Sie streckte sich geschmeidig wie eine Katze und ging dann in die Kantine, wo es schon recht lustig zuging – und entsprechend laut war. Horvath, der ebenso aufgekratzt schien, stellte ihr ein weiteres Mitglied des Teams vor:

 „Salvo, unser Restorer.“ Salvo, der um die dreißig war, schenkte ihr ein jungenhaft süßes Lächeln und zeigte dabei seine weißen Zähne, drückte ihre Hand und sah sie dabei direkt an mit seinen braunen, warmen Augen.

Schlank und sonnengebräunt, hinterließ er bei ihr einen sehr angenehmen Eindruck.

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Dann wandte sich Horvath an eine Frau, die bisher hinter einigen der Anderen versteckt gesessen hatte.

„Darija ist unsere Kunsthistorikerin. Sie hat in Ljubljana

studiert, mit ihr kannst du Kroatisch oder Slowenisch reden.“ Darija war eine gut proportionierte, hübsche Frau um die vierzig. Leicht gewelltes, goldenes Haar fiel ihr bis über die Schultern. Große, braune Augen beobachteten neugierig die Welt; ein kleiner Mund und eine dünne, etwas zu groß geratene Nase verhinderten jedoch, dass man sie „schön“ nennen würde. Dennoch war sie auf ihre ganze eigene, subtile Art sehr attraktiv. Sie war stets freundlich, fürsorglich. Wenn sie mit einem Mann sprach, schaute sie ihn an, als sei er der einzige Mensch auf der Welt, und wenn sie schließlich seine volle Aufmerksamkeit hatte, schenkte sie ihr Interesse sofort einem anderen.

Anea kannte solche Frauen gut. Ihre Tante Anna gehörte zu dieser Sorte. Scheinbar zerbrechlich, zart und ungeschützt, in der Tat jedoch Jägerinnen, die ihr ganzes Leben lang auf der Suche nach Beute waren, die immer einer Vision der Leidenschaft hinterherjagten, aber nie und nirgends wirklich zufrieden sein konnten. Im einen Augenblick hegten sie zärtliche Gefühle für einen Mann, im nächsten Moment begegneten sie ihm kühl und abweisend.  Solche Frauen brauchten jemanden, der ihre Schönheit bewunderte, der kontinuierlich von ihnen begeistert war und dessen Blicke immer verliebt waren, einen Liebhaber, stark und sanft, wild und gleichzeitig zahm, einen, den sie wie Teig nach ihren Wünschen kneten konnten, und wenn der Kuchen nicht nach ihrem Geschmack war, zerbröckelten sie ihn und warfen ihn achtlos weg. Solche Frauen gab es anscheinend viele, Frauen, die verführerisch und sehr feurig waren, deren Feuer aber nie von Dauer war.

‚Wie der Vesuv‘, dachte Anea, ‚jeder denkt, er sei voller Glut und könne jeden Moment explodieren, aber sein Feuer will töten, und nachdem er ausgebrochen ist, schläft er weiter, ohne Rücksicht auf die Folgen.‘

 

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